Zu der geplanten Bebauung des Gebietes Lindenbühl-West nehmen wir grundsätzlich und auch konkret bezogen auf den städtebaulichen Wettbewerb wie folgt Stellung.
Grundsätzliches:
- Die BUND Gruppe Reichenau lehnt die von der Gemeinde geplante Bebauung des Gebietes Lindenbühl West auf einer Fläche von 8,4 Hektar nach dem beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ab - dies auch, wenn nur Teilbereiche nach §13b bebaut werden sollen. Die ausführliche Begründung hierzu haben Sie bereits in unseren Schreiben vom 14.02. und 01.05.2020 erhalten.
- Die Planung eines so großen Projektes darf nicht in dem momentan vorgesehenen engen zeitlichen Rahmen erfolgen.
- Die Realisierung der Bebauung muss zwingend in mehreren Etappen über längere Zeit – am Bedarf orientiert - erfolgen. Dies zum Einen, weil der geplante Zuwachs den derzeitigen Bedarf an Wohnraum in der Gemeinde weit übersteigt. Zum Anderen müssen aber auch für nachfolgende Generationen Bau- bzw. Entwicklungsflächen bewahrt werden.
- Der aktuelle Bedarf an Wohnraum in der Gemeinde muss anhand genauer Daten analysiert werden und auch schon in den städtebaulichen Wettbewerb einfließen. Dies gilt sowohl für die Gemeinde selbst, wie auch für das ZfP.
Vorgaben für den städtebaulichen Wettbewerb
- Die BUND Gruppe Reichenau begrüßt die Erstellung eines städtebaulichen Gesamtkonzepts, dabei ist unbedingt eine Entwicklung in Etappen vorzusehen.
- Wir fordern eine verdichtete Bauweise ohne Einzel- und Doppelhäuser, da dieseine Verschwendung des wertvollen Baugrunds darstellt und überwiegend nicht für die Zielgruppe Familien mit Kindern und schon gar nicht für preisgünstiges Wohnen von Nutzen ist (vgl. Flächensparziel der Bundesregierung).
- Stattdessen sollen bevorzugt Mehrfamilienhäuser sowie ggf. Reihenhäuser entstehen. Hierbei ist auf die bestehenden Strukturen des Wohngebietes Lindenbühl und des ZfP Rücksicht zu nehmen.
- Energieeffiziente Gebäude nach dem Standard KfW 40, die Nutzung regenerativer Energien, Nahwärmeversorgung, Dachbegrünung und Klimaneutralität halten wir für selbstverständlich.
- Die wichtigen Funktionen des Planungsgebietes als Vernetzungs- und Pufferfläche für das Wollmatinger Ried muss unbedingt berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die Erhaltung des bestehenden Grünstreifens mit Lindenbepflanzung zum bestehenden Wohngebiet im Osten sowie die Anlage weiterer Grünzäsuren zur Aufrechterhaltung der landschaftlichen Vernetzungsstruktur für das Wollmatinger Ried.
- Die öffentlichen und privaten Freiflächen müssen daher möglichst naturnah und ökologisch sinnvoll gestaltet werden.
- Autofreie oder zumindest autoarme Bereiche sind so großflächig wie möglich anzulegen, da durch die günstige Lage nahe des Seehas-Haltepunkts hierfür beste Voraussetzungen bestehen.
- Insgesamt muss dem nicht motorisierten Verkehr Vorrang gewährt werden. Eine hohe Zahl von Carsharing-Stellplätze sowie ausreichend Elektro-Ladestationen für Autos und Fahrräder runden dies ab.
Bebauung Lindenbühl West- Beschleunigtes Verfahren nach §13b BauGB
In der Gemeinderatssitzung am 09.12.2019 hat der Gemeinderat Reichenau die Aufstellung eines Bebauungsplans "Lindenbühl West" beschlossen. Dabei soll - nach Darstellung in der Gemeinderatsitzung am 09.12.2019 - der größte Teil der Bebauung nach §13b BauGB in einem beschleunigten Verfahren erfolgen.
Die BUND Gruppe Reichenau protestiert gegen diese Art der Bebauung und fordert den Gemeinderat auf, diesen Beschluss zu revidieren und stattdessen eine Planung aus dem gültigen Flächennutzungsplan zu entwickeln.
Begründung:
- Die Gemeinde plant ein Baugebiet auf 8,4 Hektar und möchte für über 1200 Menschen Wohnraum schaffen. Ein solch großes Bauvorhaben sprengt alle bisherigen Projekte in der Geschichte der Gemeinde. Wir wollen, dass hierbei auf jeden Fall Qualität vor Quantität gelten muss. Für den Planungsprozess selbst braucht es daher ausreichend Zeit - ein beschleunigtes Verfahren nach § 13bBauGB, in dem die Gemeinde unter massivem Zeitdruck steht, ist daher kontraproduktiv.
- Unabhängig von der Planung muss unseres Erachtens ein solch großes Projekt in Etappen umgesetzt werden. Das geplante Vorhaben überschreitet den momentanen Bedarf an Wohnraum um ein Vielfaches. Auch in 10 oder 20 Jahren wird noch Wohnraum in der Gemeinde benötigt. Der §13b setzt die Gemeinde aber unter Zugzwang - eine schrittweise Umsetzung ist beim beschleunigten Verfahren nicht vorgesehen.
- Durch Wegfall der Umweltprüfung und Verzicht auf die Erstellung eines Umweltberichtes findet eine korrekte und gerechte Abwägung mit den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes nicht statt. Dies gilt grundsätzlich, aber ganz besonders im vorliegenden Fall, da das überplante Gebiet in unmittelbarer Nähe des europaweit bedeutenden Schutzgebietes "Wollmatinger Ried" liegt und auch Belange der Biotopvernetzung beachtet werden müssen. Eine Artenschutzprüfung kann daher keineswegs unterlassen werden.
- Bei einem generellen Weglassen der Umweltprüfung liegt daher ein Verstoß gegen die SUP-Rechtslinie (2001/42) vor. Damit ist eine Bebauung nach §13b unter diesen Bedingungen nicht europarechtskonform.
- Der mögliche Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen nach § 1a Abs. 3 BauGB bei Eingriffen in den Naturhaushalt ist für uns nicht tolerierbar.
Die Inanspruchnahme von unbebauten Flächen im Außenbereich hat immer den Verlust von unversiegelten und teils naturnahen Flächen zur Folge. Damit einhergehend sind die natürlichen Bodenfunktionen betroffen. Letztendlich wird mit einer Versiegelung neuer Flächen der Verlust der biologischen Vielfalt außerhalb bestehender Siedlungen beschleunigt.
-Wir hätten uns schon zu Beginn des Verfahrens eine klare, schriftlich fixierte Angabe des Gemeinderates gewünscht, dass sämtliche Belange des Natur- und Umweltschutzes vollumfänglich beachtet werden. Die bisher getroffenen Aussagen dazu sind leider sehr vage.
- Ein flächensparendes, verdichtetes Bauen ist uns als Natur- und Umweltverband wichtig. Wie dies mit einer Planung nach § 13b BauGB im Lindenbühl sozialverträglich umgesetzt werden kann, bleibt völlig unklar. Die uns bisher bekannten Unterlagen erklären nicht, wie ein positiver Beitrag zur Deckung des Bedarfs an kostengünstigen Wohnraum erreicht werden kann.
- Eine Bauleitplanung, die sich - wie im vorliegenden Fall - nicht aus dem Flächen-nutzungsplan entwickelt, ist unseres Erachtens nicht sinnvoll, weil damit auch die Ausschaltung der Planungshierarchien sowie die Missachtung der raumordnerischen Ziele und Grundsätze einhergehen. Darüber hinaus ist im aktuell gültigen Flächennutzungsplan bereits eine Fläche mit über 4 ha für die Wohnbebauung vorgesehen - es ist uns völlig unbegreiflich, was der Planung einer Wohnbebauung, die sich an den FNP hält, entgegen steht.
- Bei dem beschleunigten Verfahren besteht keine Verpflichtung zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit. Auch vom förmlichen Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit kann abgesehen werden, Auslegungsfristen können deutlich verkürzt werden. Diese Aushebelung von Bürgerrechten halten wir schädlich und einer modernen Gemeinde abträglich. Eine gerade mal zweiwöchige Beteiligung per Internet, Telefon oder Post zum städtebaulichen Wettbewerb ist dafür kein Ersatz.
- Lindenbühl-West stellt eine der letzten bebaubaren Fläche der Gemeinde Reichenau dar. Können wir eine Bebauung auf einen Schlag gegenüber späteren Generationen verantworten? Wachstum ja - aber nicht um jeden Preis.
Nach unserer Einschätzung ist eine Bebauung des Gebietes Lindenbühl West nach § 13b wohnungspolitisch nicht zielführend, europarechtlich fragwürdig, planungsrechtlich unverständlich sowie naturschutz- und umweltpolitisch nicht vertretbar.